Prolog
Heftiges Gewitter und - natürlich! - Strom weg. Mit anderen Worten: "alerta laranja" - Schlechtwetterwarnung für uns im Distrikt Faro - hat voll zugeschlagen.
Nun ist man ja nach gut 20 Jahren in Portugal einigermaßen vertraut mit der Tätigkeitsliste, die in einem solchen Fall zu abzuarbeiten ist.
Kapitel 1
Check der Sicherungen.
Die Sicherung im Haus war raus, hab sie wieder reingemacht - es tat sich nix. Draußen war's etwa 19.30 Uhr, entsprechend der Jahreszeit also bereits stockdunkel. Dazu heftiger Regen mit Windböen und dem einen oder anderen Blitz samt Donnerschlag. Ich bin trotzdem zum Zähler vor dem Tor gewandert. Das war keine Freude, weil: Schirm gegen Wind verteidigen mit der einen Hand, Taschenlampe in der anderen Hand, Spezialschlüssel für Hauptsicherungskasten in der dritten Hand, die ich nicht habe. Wenigstens der Senhor gab ausnahmweise mal Ruhe und wollte nicht mit.
Sicherung am Haupttor: war drin. Ich also zurück zum Haus, um Schritt 2 einzuleiten. Nach vorheriger optischer Vergewisserung, dass sowohl die Nachbarn als auch ganz Monchique offensichtlich luz in Hülle und Fülle hatten, aber die Casa Leone leider nicht.
Kapitel 2
Kontaktaufnahme mit der EDP, die ja jetzt E-Redes heißt.
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass sowohl die Batterie der Taschenlampe anfing zu schwächeln als auch der Akku des Handys bereits bei weniger als 40% lag. Festnetz hängt am Strom, war also auch ausgefallen. 🙁
Die Dame am Telefon meinte: Das läge nicht am Sicherungskasten, sondern ich müsse vorne am Zähler die Abdeckung aufschrauben und abnehmen. Danach - je nach Modell - entweder einen grauen rechteckigen oder orangenen runden Knopf für 5 Sekunden drücken. Sie würde gerne so lange am Telefon warten. Das habe ich abgelehnt, weil zum einen hätte ich dann vier Hände gebraucht und zum anderen wäre der Handyakku noch schneller leer gewesen. Ich wusste ja nicht, wie lange ich den unter Umständen noch brauche...
Kapitel 3
Nochmals im strömenden Regen und unter Blitz/Donnerschlag nach draußen. Im Dunkeln, bei jedem Schritt hatte ich Angst, auszurutschen und hinzufallen. Der Senhor lehnte es glücklicherweise und wohlweislich erneut ab, mich zu begleiten, ihm war's zu nass. Er mag auch das hohe Gras nicht, das bei diesem Wetter seinen königlichen Körper unangenehm benetzt.
Das Öffnen des Zählerkastens war unmöglich, weil einfach mit den Fingern aufschrauben ging nicht. Das hatte mir die Dame der EDP zwar empfohlen. Ich wusste jedoch schon aus anderen Erfahrungen, dass man(n) (nicht nur) in Portugal dazu neigt, Schrauben fest anzuziehen.
Schirm festhalten, Taschenlampe im Mund, ich im hohen nassen Gras bei strömendem Regen vor dem Zählerkasten balancierend, die vier Schrauben (an jeder Ecke eine) teilweise über Kopf. Stellt euch das bitte einfach mal in eurem Kopfkino vor. Danke fürs Verständnis.
Kapitel 4
Ich schliddere und rutsche also wieder ins Haus, um einen erneuten Anruf bei der EDP zu tätigen (Akkustand des Handys: unter 30%). Selbstverständlich war ein anderer Mitarbeiter dran, aber ein ebenfalls sehr freundlicher. Er erzählte zunächst auch was von dem Knopf, den ich drücken müsse. Ich habe schamlos die Trumpfkarte von wegen "ich bin eine hilflose alte Dame mit Geh- und Sehbehinderung, letzteres vor allem im Dunkeln und bei Gewitter" ausgespielt.
Daraufhin beschloss er, dass er jemanden vorbeischickt. Ich dachte: "Sicher erst morgen früh." Er aber: "Nein, längstens in 4 Stunden. Wir sind nämlich 24/7 für unsere Kunden da." Das hätte bedeutet: gegen Mitternacht.
Der freundliche Herr wies außerdem darauf hin, dass die equipa técnica 20 € verlangt, wenn sie nur deshalb anrücken muss/darf, um den Knopf für 5 Sekunden zu drücken. Sie würden das Geld aber niemals direkt oder gar cash einziehen, sondern es wäre auf der nächsten Rechnung mit drauf. Das war mir mittlerweile egal. Ohne Strom ist doof, führt zu erhöhtem Sturzrisiko im Haus (ich seh ja nicht mal den Senhor im Stockfinstern!) und wenn ich alle TK-Sachen neu kaufen muss, kostet das mehr als 20 €.
Kapitel 5
Um 20:13 rief der Mann von der equipa técnica an: Sie führen jetzt in Olhão los, er schicke mir gleich seine private Nummer, damit ich ihm per WhatsApp meinen aktuellen Standort durchgeben könne.
Menschen, die bereits in der Casa Leone zu Gast waren, und das tagsüber, wissen: So leicht ist mein Hexenhaus in der Serra nicht zu finden. Ich gab also nicht nur den Standort durch, sondern zudem eine Beschreibung. Auf Portugiesisch. Denn so mancher, der sich lediglich nach Google Maps richtet, verirrt sich rettungslos im Walde; nachts und bei durch Regen oder gar Nebelschwaden eingeschränkter Sicht wird das nicht besser. Zuletzt waren es der neue Gärtner und ein Miet-Interessent fürs Nachbarhaus, die beide verschollen gingen. Außerdem lauern in der Serra noch andere Gefahren - siehe Kapitel 8.
Kapitel 6
Um 22:26 schickt der E-Redes-Mann seinen Livestandort und ich kann ebenso live verfolgen, wie er sich auf den vielen kleine Straßen zu mir hoch verfranzt. Erst fährt er zu weit nach oben zum Gipfel des Picota, ich lotse ihn per Telefon wieder runter; dann biegt er verkehrt ab und steht - glücklicherweise bestens auf Google Maps sichtbar - in einer zwar Luftlinie gar nicht mal so weit entfernten, aber dennoch völlig anderen Straße rum. Luftlinie ist aber bekanntlich was anderes als reale Straßenführung.
Kapitel 7
Die equipa técnica ist um 22:53 endlich eingetroffen. Ich hatte den E-Redes-Mann nochmals angerufen, ich würde ihn unten an der Hauptstraße beim Rei da Fruta abholen, sonst würde das ja wohl nix. Dieses Angebot wurde sehr, sehr dankbar angenommen.
Kapitel 8
Auf dem Weg zum Abholungsort traf ich auf eine ziemlich große Horde Wildschweine, die sich allerdings mit Licht- und normaler Hupe von meinem Weg verscheuchen ließen. Aber danach fährt man im strömenden Regen die vielen Kurven noch vorsichtiger als sonst schon, auch weil diverse Äste auf der Fahrbahn lagen. Ich erwähnte, glaube ich, bereits, dass heftige Windböen das Gewitter begleitet hatten.
Kapitel 9
Licht wieder da, Kühl- und TK-Schrank auch. Ich war nass bis auf die Haut, weil ein heftiger Regenguss darniederging, als ich nochmals ins Haus musste, um den Schlüssel für den Hauptsicherungskasten zu holen. Und NATÜRLICH braucht man zum Öffnen des eigentlichen Zählerkastens, um den ominösen grauen oder orangenen Knopf für 5 Sekunden zu drücken, einen Spezialschlüssel, den aber - wie man mir mitteilte - unser örtlicher Elektroladen gerne verkauft. Da werde ich in den nächsten Tagen also mal hinmarschieren.
Kapitel 10
Der ganze Spaß hat dazu geführt, dass ich 20 € extra bei der nächsten Rechnung zahlen darf, weil ja "nur ein Schalter umzulegen war" und keine echte avaria vorlag.
Selbstverständlich beschloss Senhor Sancho, während meiner Abholfahrt auszubrechen und stand im strömenden Regen und Stockdunklen freundlich wedelnd am Zählerkasten, um die equipa técnica gebührend zu begrüßen und deren Arbeit zu überwachen. Mit anderen Worten: Auch Seine Hoheit war klatschnass.
Das Wetter soll übrigens bis mindestens morgen so bleiben... Vielleicht machen wir das Spielchen also nochmals mit. Aber diesmal schaff ich's ohne equipa técnica! Und das Handy wird voll geladen sein gegen Einbruch der Dunkelheit.
Schlusswort
Nasser bzw. trocken gerubbelter und damit "noch feuchter" Hund nachts ist nix Schönes, vor allem, weil Senhor Sancho im Zuge seiner Ergreifung der Weltherrschaft darauf besteht, im Bett zu pennen. Ich selbst war erstmal in der heißen Badewanne und hab mir danach, während des Verfassens dieses Kurzromans, ein schönes Glas tinto gegönnt.