Freitag, 28. Juli 2023

Senhor Sancho greift an. Tag 80 oder so.

Auf dem Lande ist's ja so, dass man für Wasserzugang und dem Stromversorger (in meinem Fall der EDP) Zutritt zum Grundstück zu gewähren hat. Dennoch werden Grundstücksgrenze und Privatsphäre peinlich genau respektiert: Kein EDP-Angestellter würde "einfach so" aufs Grundstück kommen; selbst meine Vermieter melden sich an, wenn sie beispielsweise wegen der mehreren Nachbarn gemeinsam gehörenden Quelle bei mir "durch" müssen. Oder auch, wenn sie zum Avocado-Ernten kommen möchten.
Kein Ding.
Die portugiesischen Nachbarn fragen sowieso - oft schon vom äußeren Tor rufend -, ob sie mal eben hoch zur Quelle dürften, wenn die Wildschweinerei wieder mal für verminderten Wasserzufluss gesorgt hat. Und auch das ist selbstverständlich: kein Ding. 

Unser alter Gärtner Zé Branco ist vor einigen Wochen verstorben. Er fragte seit Jahren nicht mehr groß an, aber man kannte und mochte sich. Außerdem fand Zé Branco Seine Hoheit ganz bezaubernd (wie auch nicht!?). Zé Brancos Nachfolger ist der junge Vidigal, der sich zunächst ordentlich bei Frauchen vorstellte und der nun ebenfalls Zutritt hat. Und der wird ihm vom Senhor gewährt, selbst wenn erst kurz gebellt wird. Seinen Meldepflichten kommt Seine Hoheit natürlich immer nach. Lässt sich danach aber problemlos abrufen und kommt ins Haus oder wo immer sich Frauchen gerade aufhält.

Keiner hatte bis dato also Probleme mit Senhor Sancho, obwohl er alle erst einmal bellend anmeldet. Wird er aber von Frauchen aufgefordert, die Bellerei zu lassen, kommt er schwanzwedelnd näher und akzeptiert: "Okay, den muss ich nimmer verbellen, der darf rein."
Dasselbe Spiel übrigens genauso 
vor ein paar Tagen, als der große tanque (das Sammelbecken für unser und der Nachbarn Quellwasser) gereinigt wurde. Da waren drei dem Senhor zunächst fremde Leute zugange. Ich hatte die Hunde zwar ins Haus geholt, weil ich mir Schöneres vorstellen kann als acht Pfoten, die mit nassem, schwarzen Schlamm und Algen zugange sind. Aber natürlich wussten Madame Bela und Senhor Sancho, was draußen los war.

In der vergangenen Woche jedoch wurde Senhor Sancho bezichtigt, dass er einen Menschen, der sein Reich ohne gebührende Anmeldung betreten hatte, nicht nur verbellt, sondern regelrecht angefallen hätte. Obwohl die Freigabe durch Frauchen erteilt war und Senhor Sancho den Betreffenden bereits kannte.
Ich konnte es mir zwar nicht recht vorstellen, denn ich war immer daheim gewesen und hätte da etwas mitkriegen müssen. Aber als meine Vermieterin und die neu zugezogene Nachbarin dasselbe berichteten (immer bezogen auf den oben erwähnten Einzelfall), bat ich zum nachbarlichen Gespräch. 

Es stellte sich heraus: Seine Hoheit hatte gebellt und sogar geknurrt (nicht ganz nachvollziehbar, weil Mensch und Hund sich schon begegnet waren). Senhor Sancho soll auch immer näher herangerückt sein - und da wurde ein Gegenstand (welcher Art ist unbekannt) nach ihm geworfen. Wohl auch getroffen, denn der Senhor hätte danach den Abgang angetreten. 
Von dieser Majestätsbeleidigung mal ganz abgesehen: Das geht gar nicht. Selbst wenn meine Vierbeiner im Bett pennen dürfen: Sowohl Madame Belas wie Senhor Sanchos Job ist's, Haus und Hof zu verteidigen und entsprechend zu melden, wenn jemand das Gelände "einfach so" betritt. Madame ist ja bekanntlich eher eine Schisserin und verzieht sich schnell ins Haus und ihren Korb, wenn dann wirklich jemand näher tritt. Senhor Sancho hingegen kommt seinen Pflichten nach, hält die Stellung bzw. rennt dem Eindringling bellend nach. 

Während des Gesprächs übrigens lag das Untier völlig entspannt neben mir auf der Gartencouch, später zu meinen Füßen. Ich bat darum, dass der Senhor gerufen werden solle, um eine Versöhnung herbeizuführen. Leider vergeblich (das allerdings ist bezeichnend!): Seine Hoheit blieb stocksteif bei mir stehen, wedelte nicht mit dem Schwanz und zeigte sich ausgesprochen unwillig. Zwingen wollte ich ihn nicht... 

Aber ich fasste einen Plan: Ein paar Tage später hatten sich nämlich Freunde zu Besuch angesagt - sie wollen vor einem gemeinsamen schönen Abendessen im Luar da Foia den Senhor kennenlernen. Mal schauen, wie sich Seine Hoheit benimmt, wenn völlig Fremde sein Königreich betreten...

Senhor Sancho kann wirklich  kein Wässer trüben.