Freitag, 11. April 2025

Die rosarote Brille

Man soll ja Portugal - so sagen manche - nicht durch die rosarote Brille betrachten. Okay.

Aber was macht man, wenn man über 20 Jahre hier lebt und arbeitet (allerdings zugegebenermaßen nicht im Lande bzw nicht für portugiesische Firmen) und man die wirklich negativen Erlebnisse an einer Hand abzählen kann?
Waldbrände nehme ich jetzt mal aus, ich spreche von negativen Erlebnissen im persönlichen Umgang mit der einheimischen Bevölkerung. Und da gab's wirklich so gut wie nix. Also auch KEINE rosarote Brille.

Bis auf vor ein, zwei Wochen.
Die Vorgeschichte:
In meinem TK-Fach im Kühlschrank ist wenig Platz, und weil bei mir im eigenen Garten und bei Nachbars ja nun wirklich Mengen an Obst und vor allem Gemüse anfallen, ich außerdem Brot einfriere und dies auch gerne mit fleischigen Sonderangeboten täte, kam mir im vergangenen Sommer das Angebot einer Bekannten gelegen: Sie hatte einen kleinen, älteren TK-Schrank, den sie mir für nen Zwanziger überließ und sogar anlieferte. Leider fraß das Ding, wie befürchtet, aber mal so richtig Strom, es ließ sich nach ein paar Wochen auch die Schockfrost-Funktion nimmer abstellen, was den Stromverbrauch nochmals in die Höhe trieb.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich erstand ein neues Gerät, für meinen Single-plus-Hund-Haushalt passend mit 63 Litern Inhalt. Nach langem Suchen hatte ich ein Gerät mit niedriger Energieklasse, wenig Verbrauch und vor allem geringem Geräuschpegel gefunden. Die Firma lieferte, so war's per Mail vereinbart! - INS Haus (Erdgeschoss) und nahm das Altgerät mit. Perfekt.
Jedenfalls so lange perfekt, bis ich den Auslieferer wie üblich unten im Dorf, bei der cooperativa, traf, um ihm den Weg zur Casa Leone zu weisen. Schon am Telefon schien der Herr nicht sehr amused, aber das tat ich als "schlecht verstanden, weil schlechtes Mobilnetz" ab.
Er fuhr mit seinem Lieferwagen (kein Riesen-LKW, sondern so Sprinter-Größe) hinter mir her, blieb allerdings vor der Einfahrt zum kleinen und ungeteerten Weg stehen und hupte wild, bis ich ebenfalls stoppte.
Dann stieg er aus und sagte in ziemlich barschem Ton, dass er da jetzt nicht weiterführe.
"Und jetzt?", fragte ich. "Wie kommt das Gerät denn bitte in meine Küche?" Das sei ihm egal, er führe da nicht lang.
Mein Einwand, dass kürzlich erst ein Umzugs-LKW problemlos entlang gefahren wäre, wurde mit den Worten abgetan: Sowas hätte ihm letzthin schon jemand erzählt, und wenn sein Wagen kaputt wäre, müsste das ja jemand bezahlen und das sei ganz gewiss nicht er.
Ich bin einfach weitergefahren, um - das hatte ich zumindest vor - mit der Speditionsfirma Kontakt aufzunehmen. Beim Parken vor der Casa Leone sah ich: Der Herr hatte sich besonnen und kam eben samt Lieferauto den Weg runter. Der freundliche Nachbar wies ihn ein, damit er rückwärts direkt vor meine Einfahrt gelangen konnte. Danke sagte er dafür nicht, sondern grummelte weiter.
Hab's dann mit Scherzle versucht à la "Beim nächsten Mal ziehe ich vorher um, wenn ich was Größeres bestelle!"
Antwort: "Ich komme sowieso nie wieder, zu Ihnen liefere ich nichts mehr!" Und das in einem Ton und mit einer Miene, die einfach nur unverschämt waren.
Mit wütendem Gesicht hat er die Sackkarre abgeladen und mir das TK-Gerät vor die Eingangstüre gestellt. Hab ich erwähnt, dass es zu regnen anfing?
"Ich habe vereinbart, dass ins Erdgeschoß geliefert wird." War ihm egal, er liefere nur von Tür zu Tür. Das wiederholte er mehrmals auf Portugiesisch und Englisch, damit ich's auch gewiss verstehe.
Es handelt sich um ca zehn (!) Meter ebenerdig, um von der Eingangstüre in die Küche zu kommen. War ihm egal.
"Sie müssen doch eh das Altgerät mitnehmen!" War ihm egal. Wenn das mitzunehmende Gerät nicht originalverpackt (häh??) vor der Türe stünde, ginge ihn das nix an und er nähme es nicht mit.
Ich hab die Alterskarte gespielt, ich hab auf meine Gehbehinderung hingewiesen. War ihm egal.
Er lud seine Sackkarre ein, knallte die Wagentür zu und fuhr vom Hof. Glücklicherweise war der liebe Nachbar daheim und hat mir das neue Gerät rein- und das alte rausgetragen...
So sauer auf jemanden, über eine Serviceleistung, war ich schon sehr sehr lange nicht mehr. Das konnte und wollte ich nicht einfach abhaken. Deshalb am nächsten Morgen: 2 Emails. Eine an die Firma, eine an die Spedition.
Beide reagierten innerhalb einer Stunde (ohne dass ich mit dem berühmt-berüchtigten "Livro" gedroht hatte).
Beide entschuldigten sich und jetzt wird der Abholprozess nochmals durchgeführt.

Ich hab allerdings drum gebeten, mir einen anderen Fahrer zu schicken... nicht dass ich Senhor Sancho anweisen muss, neben Gebell sein Gebiss einzusetzen, wenn mir derselbe Typ wieder blöd kommt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen